Ernst Dokupil

 

 

 

ERNST DOKUPIL

 


[...] Sie haben Rapids schlimmste Jahre durchgemacht. Dann kam Ernst Dokupil, der Trainer, und schließlich auch ein junger Stürmer, Carsten Jancker aus Rostock. Er ist es, der Rapid jetzt ins Europacupfinale der Pokalsieger geschossen hat.

Als Sechzehnjähriger war Jancker zum 1. FC Köln gestoßen - nach fünf Jahren saß er immer noch auf der Ersatzbank. Da entdeckte ihn Rapids Trainer Ernst Dokupil. Ein knappes Jahr später erzielte Jancker für die Wiener drei Tore im Halbfinale gegen Feyenoord Rotterdam. In den Straßen der österreichischen Hauptstadt skandiert man seither: "Finale! Finale! Europacupfinale!"

Es ist noch nicht lange her, da war Rapid Wien reif für den Konkurs. Der Gang an die Börse endete 1994 mit einem Desaster. Der Chef der Rapid AG war in den USA wegen Drogengeldwäscherei verhaftet, die Aktien waren plötzlich wertlos geworden. Die Bank Austria, welche die Rapid AG
durch Firmeneinkauf unfreiwillig geerbt hatte, wollte den Verein zunächst sterben lassen oder, was den danubischen Fußballfreund noch schrecklicher anmuten mußte, mit dem Erzrivalen Austria Wien fusionieren. Nur ein Wunder konnte den 1899 aus dem "1. Wiener Arbeiter-Fußballklub" hervorgegangenen SK Rapid retten.

Für das Wunder sorgten die Rapid-Fans selber. Zu Hunderten drohten sie, bei einer Liquidation des Vereins ihre Konten bei der Bank Austria aufzulösen. Das zeigte Wirkung. Statt Konkurs wurde für Rapid ein Vergleich beantragt, Präsidium und Trainerposten umbesetzt. Mit umgerechnet 14 Millionen Mark stürzte sich Österreichs größtes Geldinstitut ins Abenteuerland Vereinsfußball. Und siehe, 1996 wird Rapid Wien Gewinne schreiben - dank eines Zuschauerbooms, dank eines möglichen Meistertitels und nicht zuletzt dank der Tore von Carsten Jancker.[...]


[...]Allerdings ist Rapid derzeit in Mode, Austria nicht. Keiner weiß das besser als Trainer Ernst Dokupil. "Rapid im Europacupfinale", sagt der aufs erste etwas schwerfällig wirkende Endvierziger, "das ist halt jetzt passiert." Ob ihm das nicht Erfüllung ist? "I gfrei mi wahnsinnig, aber mehr net." Wenn Rapid ihn nicht geholt hätte, sagt Dokupil, "säß' ich in meinem Garten und wär' auch zufrieden. Ich bin an und für sich ein zufriedener Mensch."

Wien-Hütteldorf, das wird auf jeden Fall seine letzte Trainerstation gewesen sein. "Was soll ich im Ausland, wo irgendein Verein mir die Wohnung anmietet und einrichtet? Was bei Bayern München passiert, ist doch grauslich: Was kann Otto Rehhagel dafür, wenn der Verein quer durch den Gemüsegarten Charaktere zusammenkauft, die dann noch dazu alles öffentlich austragen?" Nein, nach Rapid stellt sich Ernst Dokupil nur noch eine Frage: Pensionierung oder Pensionsversicherungsanstalt. Letztere hat ihn nämlich nur beurlaubt, dort hat er seinen Beruf, während Trainer, "das ist mein Hobby".

Wer solches hört, vermutet in Ernst Dokupil kaum jenen schlitzohrigen Taktiker, für den ihn Fachleute halten. Wer etwa mit Christian Stumpf und Carsten Jancker zwei klassische Mittelstürmer nebeneinander aufstellt, fällt normalerweise schon bei der Trainerprüfung durch. Da aber Rapids Mittelfeld von Österreichs kreativsten Spielern Peter Stöger und Dietmar Kühbauer beherrscht wird, kommen auch die zwei Riesen vorne gut zurecht. Wirklich, der allererste österreichische Europacupgewinn ist möglich. Obwohl Dokupil einschränkt: "Ich sag' sicher nicht zu meinen Spielern: Ihr müßt gewinnen!"

Lieber noch als der Meisterteller oder der Pokal aus Brüssel wäre dem herzensguten Trainer etwas anderes: "Unser Stadion ist ein schlecht gepflegter Friedhof", das müsse anders werden. Dabei weiß er sich einig mit Präsident Günter Kaltenbrunner, der als Angestellter der Bank Austria ein Jahresbudget von umgerechnet zehn Millionen Mark erkämpft hat. Das ist zwar immer noch weniger, als der ärmste deutsche Erstligaverein zur Verfügung hat, aber immerhin das Doppelte des Vorjahres. Große Einkäufe sind da nicht drin. Wer unbedingt gehen will, dem will Ernst Dokupil nicht nachweinen. "Auch andere Mütter haben schöne Söhne." Günter Kaltenbrunner, selbst ehemaliger Fußballprofi: "Wir sind kein Millionärsklub. Wir sind Rapid."[...]


© DIE ZEIT 1996


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